Flutlichter

Zum Grundstück meiner Eltern gehört eine riesengroße Wiese. Noch heute steht dort ein Tor, das mein Opa damals aus alten Heizungsrohren zusammengeschweißt hat. In den goldenen Jahren gab es hinter dem Tor noch ein Fangnetz (damit der Ball nicht in den Garten flog), Eckfahnen und eine Anzeigetafel. Mit Sägespäne wurden regelmäßig die Strafraummarkierungen nachgezogen und alte Bretter wurden mit Sponsoren beschriftet und aufgestellt. Im Baum hing ein Walky Talky und in der Gartenhütte lag das andere – für Stadiondurchsagen. Wir verbrachten die kompletten Sommerferien dort. Und als wir beim Bundesliga Manager auf dem Amiga einen Stadionnamen angeben mussten, schrieb mein Kumpel selbstverständlich: „Bei Kurzi auf der Wiese“.

Die letzte Ausbaustufe kam nach meiner Konfirmation hinzu. Irgendwer schenkte mir einen Gutschein für den Baumarkt und für die 20 Mark kaufte ich einen Halogenstrahler, der im Bedarfsfall in den Baum gehängt wurde. Unser Stadion hatte fortan sogar Flutlicht. Es war vollkommen.

Premiere im 19. Jahrhundert

Bereits 1878 fand an der Bramall Lane in Sheffield die erste Begegnung unter Flutlicht statt, wie Uli Hesse in der Ausgabe 200 der 11 Freunde berichtet. In Deutschland galt lange Zeit das Abschiedsspiel Richard Hofmanns im Jahr 1949 als Jungfernfahrt. Dann entdeckten Mitarbeiter von Hannover 96 in einer Lokalzeitung einen Hinweis auf ein Spiel im September 1926:

Zum ersten Male in Deutschland (und vermutlich auch auf dem Kontinent) findet heute in Hannover ein Fußballspiel im Freien unter künstlicher Beleuchtung statt.

Wie in Sheffield handelte es sich auch in Hannover um ein Freundschaftsspiel. Generell wurden Flutlichtspiele in früherer Zeit primär aus Gründen der Profitmaximierung ausgetragen. Die Besucher sahen eher belanglose Begegnungen unter besonderen Bedingungen.

Die Arenen kamen, die Masten gingen

Dabei haben Flutlichtmasten auch im Hellen ihren besonderen Zauber. Bis zur Generalüberholung im Rahmen der Weltmeisterschaft 2006 waren die Masten das Alleinstellungsmerkmal der Stadien. Nur Bremen hat sich dieses Charakteristikum bewahrt.

Auch mein Kumpel Benny aus Berlin hat sich im Norden verliebt. Beim Besuch der Hamburger Verwandtschaft stand er als Kind stundenlang in der Küche, weil man von dort die Flutlichtmasten des Volksparkstadions sehen konnte. Seine Hertha war die letzte Mannschaft der Bundesliga, bei der ein Licht aufging: 1966 erhielt das Olympiastadion nach drei Jahren voller Diskussionen seine Strahler.

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