Wo steht Deutschlands älteste Tribüne?

Die Frage nach der ältesten Tribüne Deutschlands lässt sich nicht so einfach beantworten. Das liegt weniger an fehlenden Aufzeichnungen, sondern vielmehr an der Differenziertheit der Fragestellung. Ist die älteste Tribüne überhaupt von Interesse? Oder geht es doch um das älteste Stadion? Und was ist, wenn die Tribüne vor einer Radrennbahn steht oder, um es noch komplizierter zu machen, die Radrennbahn Jahre später einem Fußballplatz weichen musste?

Deutschlands älteste Tribüne steht in Gotha

Die Reise in die Vergangenheit beginnt mit einer Pferderennbahn. Die älteste deutsche Sporttribüne steht auf dem Boxberg in Gotha. Eröffnet wurde der Schmuckfachwerkbau am 22. September 1878 vom Rennverein für Mitteldeutschland, Vorbild soll der „Goodwood race course“ in Sussex gewesen sein. Das Schild „Nächster Renntag“ steht heute gut sichtbar am Eingang des Areals, wann dieser sein wird, steht in den Sternen. „Die Möglichkeiten, Rennen auf dem Boxberg durchzuführen, sind nach wie vor da“, sagte einer der Betreiber der Thüringer Allgemeinen im Januar 2017. Zuletzt scheiterte das Unterfangen an den nötigen Geldgebern.

Die älteste Sporttribüne der Republik: Boxberg Gotha

Ebenfalls im Osten der Republik befindet sich das Zittauer Weinauparkstadion. Wikipedia schreibt über den Platz im Dreiländereck Deutschland-Polen-Tschechien: „Ende des 19. Jahrhunderts war auf dem Gelände eine Radrennbahn angelegt worden, deren überdachte Holztribüne die älteste Sportstätten-Tribüne Deutschlands ist“. Diese Aussage ist nicht korrekt, die Tribüne wurde am 19. August 1894 eröffnet und damit deutlich später als die auf dem Boxberg. Die Radrennbahn verschwand 1912, ab 1919 wurde die „Weinau“ auch für den Fußball genutzt. Heute passen in das Stadion, das im Dritten Reich „Handrick-Kampfbahn“ und in der DDR „Willi-Gall-Stadion“ hieß, 10 000 Menschen. 465 von ihnen finden auf der überdachten Holztribüne Platz.

Die Tribünenreste von Köln-Weidenpesch
Die Tribünenreste von Köln-Weidenpesch

Deutschlands älteste Fußballtribüne steht in Düren

„Deutschlands älteste Fußballtribüne steht im Weidenpescher Park“, berichtete der Express im März 2013. Auch Das große Buch der deutschen Fußballstadien ging jahrelang davon aus, dass sich die älteste deutsche Fußballtribüne im Kölner Stadtbezirk Nippes befindet. Das Buch Es war einmal ein Stadion korrigiert diese Aussage: „Die älteste für den Fußball errichtete und nach wie vor vorhandene Holztribüne steht in der Westkampfbahn in Düren im Rheinland“, heißt es dort.

Die Westkampfbahn in Düren: Hier steht Deutschlands älteste Tribüne
Die Westkampfbahn in Düren: Hier steht Deutschlands älteste Tribüne

1913 begann der Bau der Tribüne, am 9. August 1914 fand die Einweihung statt – deutlich vor der 1920 eröffneten Tribüne in Weidenpesch, die nur rund 40 Autominuten entfernt liegt. Die nach einem Gönner benannte Helmut-von-den-Hoff-Tribüne (1950 – 2010) in Düren wurde im Zweiten Weltkrieg zwar stark beschädigt, blieb aber erhalten. 2010 fand die Komplettsanierung statt, 400 Zuschauerinnen und Zuschauer können heute auf der ältesten Fußballtribüne Deutschlands sitzen.

Der Kilia-Platz in Kiel
Der Kilia-Platz in Kiel

Selbst wenn es die Westkampfbahn in Düren nicht gäbe, in Kiel findet sich auf dem Kilia-Platz eine heute noch erhaltene Holztribüne, die am 9. Juni 1919 eingeweiht wurde und damit älter als die in Weidenpesch ist. In Kiel steht damit Norddeutschlands älteste Tribüne, eine Eigenschaft, die gerne der Tribüne im Stadion Hoheluft in Hamburg zugeschrieben wird. Zwar fand dort die feierliche Tribüneneinweihung am 22. September 1909 statt, allerdings brannten die Ränge im Dezember 1921 ab. Die jetzt noch existierende Tribüne wurde 1922 wiedereröffnet – deutlich später als die in Düren.

Das Stadion Hoheluft in Hamburg
Das Stadion Hoheluft in Hamburg

Wie erst seit kurzer Zeit bekannt ist, spielt in dem Rennen um Deutschlands älteste Tribüne auch die im Fürther Stadion an der Magazinstraße eine Rolle. 11km.de ging lange davon aus, dass die Tribüne erst gegen Ende der Zwanzigerjahre errichtet wurde – sie entstand aber bereits 1914. Damit wäre sie ein Konkurrent für die Westkampfbahn in Düren, wenn sie nicht für den Reitsport errichtet worden wäre. Erst nach dem Ersten Weltkrieg zogen die Fußballer ein. Dem jetzigen Kenntnisstand zufolge steht damit im Stadion an der Magazinstraße die älteste Tribüne im Süden der Republik.

Die alte Holztribüne steht hier seit 1914
Die Holztribüne im Stadion an der Magazinstraße

Grenzt man die Tribünengeschichten von den ältesten Spielstätten ab, geht die Reise noch weiter zurück. Sowohl der Lüneburger SK als auch die Stuttgarter Kickers spielten seit 1905 in ihren Heimspielstätten, die Kickers direkt neben dem Stuttgarter Fernsehturm im GAZI-Stadion, der Lüneburger SK im legendären Wilschenbruch. Der musste 2014 einem Wohngebiet weichen, womit die Frage nach dem ältesten noch existierenden Stadion klarer zu beantworten ist: Es steht im Stuttgarter Stadtteil Degerloch.

Der Wilschenbruch in Lüneburg kurz vor dem Abriss
Der Wilschenbruch in Lüneburg kurz vor dem Abriss

Das Finale der ersten Deutschen Fußballmeisterschaft 1903 wurde in der Hamburger Exerzierweide ausgetragen. Der Platz existiert heute nicht mehr, aber ein Gedenkstein erinnert an der Kreuzung Rondenbarg/Marlowring an den großen Triumpf des VfB Leipzig. Das erste Fußballspiel auf deutschem Boden fand auch im Norden statt: „Der älteste und belastbarste Beleg für ein Fußballspiel in unserem Sinne in Deutschland findet sich in Lüneburg“, gab der Dresdener Historiker, Archäologe und Buchautor Dr. Hans-Peter Hock der Landeszeitung zu Protokoll. Lange Zeit duellierten sich Dresden und Braunschweig um den Titel „Wiege des deutschen Fußballs“, dort wurde allerdings mehr Rugby als Fußball gespielt. Petra Taberelli beschäftigt sich auf ihrem Blog ausführlich mit der Abgrenzung, u. a. in diesem Artikel.

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2 Kommentare

Da werden Erinnerungen wach. Vor allem wenn es um das Stadion Hoheluft geht. Ich lebte mal einige Zeit in HH, obgleich ich in der Nähe von Köln verwurzelt bin. Der HSV war damals mein Verein, den Niedergang ahnte ich zwar schon damals, aber gut.

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