Stolperstein Julius Hirsch, Karlsruhe

Das Projekt „Stolpersteine“ wurde vom Berliner Künstler Gunter Demnig ins Leben gerufen. Die 96 mal 96 Millimeter langen und 100 Millimeter hohen Gedenksteine, an deren Oberseite eine beschriftete Messingplatte befestigt ist, sollen an Opfer des Nationalsozialismus erinnern. Meistens befinden sie sich unmittelbar vor den letzten Wohnhäusern der Verfolgten, Vertriebenen und Ermordeten auf Gehwegen und Bürgersteigen. Über 75 000 solcher Steine wurden seit 1992 in rund 25 Ländern in die Erde gesetzt. Auch in Karlsruhe befinden sich mehrere dieser Stolpersteine, im November 2006 kam einer in der Murgstraße hinzu, der an Julius Hirsch erinnern soll.

Der 1892 in Achern im Schwarzwald geborene Julius Hirsch begann als Zehnjähriger mit dem Fußball und schloss sich 1902 dem Karlsruher FV an. Bereits 1909 wurde er Mitglied der ersten Mannschaft und feierte ein Jahr später den Titel des Südmeisters. „Juller“ Hirsch wirbelte auf Linksaußen, wiederholte in den folgenden drei Jahren den Titelgewinn der Südmeisterschaft und zog mit dem KFV immer wieder in die Endrunde ein, 1910 konnte man sogar die Deutsche Meisterschaft erringen.

Lang, lang ist’s her. Vielleicht so um das Jahr 1910 herum. Der [Frankfurter] Fußballsportverein hatte hohen Besuch; den höchsten, den es für ein süddeutsches Fußballgemüt damals geben konnte: den Karlsruher Fußballverein. 

Aus »Der lachende Fußball« von Richard Kirn aus dem Jahr 1943

1913 folgte Hirsch seinem Trainer William Townley zur SpVgg Fürth, erneut wurde man Deutscher Meister. Der Wechsel hatte auch berufliche Gründe, Hirsch, der Kaufmann war, kam beim größten Spielwarenhersteller der Welt, der Firma Bing, unter.
Das Interesse von Reichstrainer Otto Nerz hatte der Stürmer da längst geweckt. Bereits im Dezember 1911 debütierte Julius Hirsch als erster Spieler jüdischen Glaubens im Nationaldress, bei seinem zweiten Länderspiel erzielte er vier Tore. Seine Länderspiel-Karriere wurde durch den Ersten Weltkrieg, in dem Hirsch vier Jahre lang als Soldat diente, und nach insgesamt sieben Einsätzen beendet.
Nach dem Krieg kehrte er zum Karlsruher FV zurück und blieb bis 1923 Mitglied der ersten Mannschaft, bis 1927 soll er verschiedenen Aufzeichnungen zufolge noch aktiv gewesen sein.

Die Machtübernahme der Nazis hatte weitreichende Konsequenzen für Hirsch. Viele Vereine und Verbände schlossen Menschen jüdischen Glaubens aus. Hirsch kam dem zuvor und sandte im April 1933 seine Austrittserklärung an den Karlsruher FV, die folgende Worte beinhaltete:

Ich lese heute im Sportbericht Stuttgart, dass die großen Vereine, darunter auch der KFV, einen Entschluss gefasst haben, dass die Juden aus den Sportvereinen zu entfernen seien. Leider muss ich nun bewegten Herzens meinem lieben KFV, dem ich seit 1902 angehöre, meinen Austritt anzeigen. Nicht unerwähnt möchte ich aber lassen, dass es in dem heute so gehassten Prügelkinde der deutschen Nation auch anständige Menschen und vielleicht noch viel mehr national denkende und auch durch die Tat bewiesene und durch das Herzblut vergossene deutsche Juden gibt.

Die Spiele seines Heimatvereins besuchte er weiterhin, wenn auch heimlich.

Für Hirsch begann bereits 1932 ein Leben in Arbeitslosigkeit. Engagements als Trainer kamen nicht zustande, 1934 schloss er sich dem jüdischen Turnklub Karlsruhe 03 an und führte sie zur badischen Meisterschaft.
1937 fand er wieder Arbeit, bereits ein Jahr später saß er aber wieder auf der Straße, weil die jüdische Firma „arisiert“ wurde. Hirsch beging einen Selbstmordversuch und ließ sich 1939 von seiner Frau scheiden, um sie und seine Kinder vor der Verfolgung zu schützen.

Beim badischen Tiefbauamt fand er einen Job als Hilfsarbeiter, 1943 wurde dem mittlerweile 50-Jährigen dann mitgeteilt, dass er zu einem „Arbeitseinsatz“ transportiert werden soll. Das Ziel war das KZ Auschwitz, wann Julius Hirsch dort ums Leben kam, ist ungeklärt. Seine Kinder überlebten als „Mischlinge ersten Grades“ im Konzentrationslager Theresienstadt.

Der Verein ermordete einen seiner besten Spieler

Sein früherer Mannschaftskamerad Gottfried Fuchs emigrierte 1937 nach Kanada und überlebte den Nationalsozialismus. Bei seinen gelegentlichen Besuchen in Deutschland lehnte Fuchs, dem beim 16:0-Erfolg über Russland zehn Tore gelangen, Einladungen des Karlsruher FV stets ab: „Weil sie den Julius Hirsch ermordet haben.“

Der Stolperstein in der Murgstraße vor dem gelben Haus mit der Nummer sieben ist nicht der einzige Ort, an dem Julius Hirsch gedacht wird. Ein Teilstück der Karlsruher Weges in der gleichnamigen Stadt heißt seit 2013 Julius Hirsch-Straße, in Berlin gibt es seit 2006 die „Julius-Hirsch-Sportplätze“ und eine Schulsporthalle zwischen Stuttgart und Karlsruhe trägt seinen Namen.

Der Julius-Hirsch-Preis war lange überfällig

Der DFB zog nach und rief 2005 den Julius-Hirsch-Preis ins Leben, der für besonderen Einsatz für Toleranz und Menschenwürde und gegen Extremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus verliehen wird. Dietrich Schulze-Marmeling, von dem unter anderem das Werk „Davidstern und Lederball“ stammt, wertete diesen Preis als „ein starkes Signal“.
Denn mit der Aufarbeitung des Nationalsozialismus hatte sich der DFB Zeit gelassen. Noch 1978 empfing DFB-Präsident Neuberger den SS-Flieger Hans-Ulrich Rudel während der WM in Argentinien, seine Nachfolger pflegten weiter die Politik des Todschweigens.

Anschrift: Murgstraße 7, 76199 Karlsruhe

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