Rentnertreff Riederwald, Frankfurt

Bevor es später mal ins Heim geht, habe ich mir einen anderen Plan zurechtgelegt. Ich werde in der Nähe eines ambitionierten Fußballvereins mit den Menschen leben, die mir dann noch lieb, teuer und geblieben sind. Wir werden mit unseren vollmotorisierten Rollatoren jeden Tag zum Training fahren, in Stein meißeln, dass früher alles besser war und am Abend nach einer ordentlichen, die Arterien zuschnürenden Currywurst die besten Filme aus unserer Jugend sehen.

Ähnlich romantisch hätte die Geschichte der Riederwald-Rentner sein können. Einer Gruppe von Männern gehobenen Alters, die sich trifft, um ihrer gemeinsamen Leidenschaft zu frönen – und das an 365 Tagen im Jahr. Erzählt man diese Geschichte jetzt, hört sie sich an wie ein Kinderlied aus dem Sudetenland mit einem Text von Flüchtlingen und Vertriebenen.

Alte Heimat Riederwald

In den Achtzigerjahren beginnt die Story. Am Riederwald, bereits seit den Zwanzigerjahren die Heimat der Frankfurter Eintracht, suchen und finden sich SGE-Fans in einer Gaststätte, die sich im Bauch der Haupttribüne befindet. Sie diskutieren über ihren Verein, der hier vor Ort trainiert, und den Fußball generell. Als die Kneipe schließt, stellt der damalige Eintracht-Präsident Rolf Heller den obdachlosen Rentnern den Presseraum zur Verfügung – eine Lösung, die nicht für die Ewigkeit sein soll. Zeit für Veränderungen, es wird professionell. Die Trainingskiebitze finden in einem alten Kassenhäuschen ein neues Domizil. Eine Heizung wird installiert, die Wände mit Devotionalien verziert und eine Kaffeemaschine angeschafft.

Im Oktober 2008 feiert die Eintracht am Riederwald eine Abriss-Party mit Pyroshow und Feuerwerk, die Rentner ihren Abschied vom liebgewonnenen Kassenhäuschen. „Es wurde im Rahmen der Neugestaltung des Riederwald einfach abgerissen“, wird mir auf Nachfrage erläutert. Ein Hauch von Melancholie schwingt in den Worten mit, obwohl sie in einer E-Mail stehen. Der Verein stampft einen 14-Millionen-Neubau aus dem Boden, „das bedeutendste Projekt in der langen Geschichte von Eintracht Frankfurt“, wie Journal Frankfurt schreibt. Eine Bar wird dort integriert und soll die neue Heimat der Rentnerkombo werden. Ihr Name passt zur Eintracht wie kein zweiter: „Diva“.

Die Profis trainieren jetzt im Schatten der Arena

Dass die Zahl der Rentner im Laufe der Jahre weniger wird, lässt sich nicht auf die Diva schieben – bereits zu Zeiten des Kassenhäuschens ist man von den einst 21 Mitgliedern weit entfernt. Die Bundesliga-Kicker sind noch immer das dominierende Thema, auch wenn sie hier am Riederwald schon lange nicht mehr trainieren.

Während die Eintracht spätestens seit Heribert Bruchhagen für einen bodenständigen Verein steht, der weit entfernt ist von den Skandalen vergangener Tage, wirkt die Diva unnahbar und zeichnet sich (bei unserem Besuch) durch unfreundliches Personal aus. Um sich in der Lounge mit dem Motto „Creativity is our passion“ richtig wohl zu fühlen, muss man auf der Getränkekarte wohl einmal die ganze Rutsche an Spirituosen probieren und die Besinnung verlieren. Die Diva und die Trainingskiebitze, „das passt wirklich gar nicht, aber die Herren haben keine andere Alternative“, lese ich in der netten aber schwermütigen E-Mail. Es hätte eine romantische Geschichte werden können.

Anschrift: Alfred-Pfaff-Straße 1, 60389 Frankfurt am Main

Internet: http://www.diva-bar.de

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